Mehr als die Hälfte des Budapester Personenverkehrs findet öffentlich statt – zum Teil mit widerspenstigen, aber scheinbar unverwüstlichen Fahrzeugen aus der Zeit des „Gulaschkommunismus“ – und auf Gleisen aus ebenjener. SWIETELSKY legt nun die Weichen für eine neue Ära der U-Bahn-Linie M3.
Die der Stadt Budapest gehörende BKV Zrt. (kurz: BKV) ist ein Verkehrsunternehmen, das den Großteil des öffentlichen Personennahverkehrs in der ungarischen Hauptstadt durchführt. Zu ihrer Flotte gehören 33 Straßenbahnlinien, fünfzehn Oberleitungsbus-, 271 Autobus- sowie vier U-Bahn-Linien. Hiervon ist die M3 die längste und erlebt nun eine Komplettsanierung. Dafür hat die BKV die Swietelsky Vasúttechnika Kft. mit einem Megaprojekt beauftragt: Zu den Leistungen gehören die Errichtung neuer Gleisanlagen, die Renovierung der Tunnelröhre, die Installation neuer Signalanlagen sowie die Materiallogistik über Gleise in allen Stationsabschnitten auf der Linie. Zusätzlich führt die Sparte Straßenbau der Swietelsky Építő Kft. die oberirdischen Verkehrstechnikarbeiten aus, die Metrobausparte kümmert sich um die Sanierung von insgesamt neun Stationen des mittleren Abschnitts. Die baulichen Aufgaben bei der Stationssanierung umfassen insbesondere den Einbau von Anlagen wie beispielsweise Schrägaufzüge, Fahrtreppen und Belüftungen.
Umbau in drei Phasen
Die Modernisierung begann am 6. November 2017 im nördlichen Abschnitt der Strecke (zwischen den Bahnhöfen Újpest-Központ und Lehel tér). An den erneuerten Bahnhöfen wurde der Personenverkehr am 30. März 2019 wieder aufgenommen. Der südliche Streckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Nagyvárad tér und Kőbánya-Kispest wurde am 22. Oktober 2020 für die Fahrgäste freigegeben. Mit dem Umbau des Mittelabschnitts – zwischen den Stationen Lehel tér und Nagyvárad tér – wurde bereits vor der Übergabe des südlichen Abschnitts begonnen. Aktuell laufen die Arbeiten laut Zeitplan: Im Tunnel wurde der Austausch des linken Gleises bereits abgeschlossen und mit dem Abbruch des rechten Gleises begonnen. Die Wiederaufnahme des Regelbetriebs der gesamten Linie ist für das Frühjahr 2023 geplant. Für so ein herausforderndes Projekt braucht es mehr als nur einen perfekt getakteten Plan und bestens funktionierende Teams: „Wir beschäftigen insgesamt rund 360 Mitarbeiter, darunter Ingenieure, Mechaniker sowie Arbeiter im eigenen Stahlbauwerk. Man kann sagen, dass wir über die größte Eisenbahnbau-Ressource in Ungarn verfügen, die wir jederzeit und überall im Land einsetzen können. Darüber hinaus sind wir in der Lage, die Präzisionsfertigung nahezu aller für den Bahnbau erforderlichen Stahlkonstruktionen zu übernehmen“, so Szabolcs Vingelmann, Geschäftsführer der Swietelsky Vasúttechnika Kft. Sein Kollege Tihamér Vadkerti-Tóth, der zweite Geschäftsführer der ungarischen Bahnbausparte, ergänzt: „Wir sind stolz auf alle Projektbeteiligten, die beim Umbau der M3 selbstständig agieren und dabei die vollste Zufriedenheit des Auftraggebers sowie die Sicherheit der Passagiere als oberste Gebote betrachten.“
Ganzheitliche Modernisierung
Bei der Erschließung des Streckenabschnitts gilt als Grundvoraussetzung eine Auslegungsgeschwindigkeit von achtzig Kilometern pro Stunde. Der Oberbau wird standardisiert und kann entsprechend der Belastung mit 75 Zentimetern Stützabstand durchgeführt werden. Für die Sicherheit der Fahrgäste werden grundlegende technische Verbesserungen implementiert, unter anderen eine Brandschutzanlage nach den neuesten Vorschriften sowie eine moderne Lüftungsanlage. Rund 340 Notfallausrüstungen stehen den Reisenden in Zukunft zur Verfügung, 160 Monitore und 500 moderne IP-Kameras unterstützen die Arbeit der Station und ermöglichen im Bedarfsfall ein schnelleres und effizienteres Eingreifen. Zu den Optimierungen der Barrierefreiheit zählen taktile Leitspuren für Sehbehinderte sowie die bereits genannten neuen Aufzüge und Rolltreppen.
Verlängerung weiterhin geplant
Langfristig soll die Linie M3 im Norden von Újpest-Központ nach Káposztásmegyer verlängert werden, es soll dabei zwischen drei und fünf Zwischenstationen geben. Diese Strecke war schon beim Bau der U-Bahn-Linie vorgesehen, aber aus Kostengründen konnte sie nur bis zur Station Újpest-Központ umgesetzt werden – die Verlängerung bis zur ursprünglich geplanten Endstelle ist seitdem geplant. Erste Überlegungen, die Linie auch in die andere Richtung zum Flughafen zu verlängern, wurden zugunsten einer aktuell in Planung befindlichen Eisenbahnstrecke dorthin verworfen.
Geschichte der Metró Budapest
Bereits 1896 wurde in Budapest zum 1000. Jubiläum der Gründung des ungarischen Staates die erste U-Bahn Kontinentaleuropas unter dem Namen „Földalatti“ („die Unterirdische“) eingeweiht und als „Millenniums-U-Bahn“ (Millenniumi Földalatti Vasút, Linie M1) in Betrieb genommen. Wenige Tage nach der Eröffnung besichtigte der damalige österreichische Kaiser und gleichzeitige ungarische König Franz Joseph I. die Bahn, die fortan den Namen Ferencz József Földalatti Villamos Vasút, auf Deutsch: „Elektrische Untergrundbahn Franz Joseph“ tragen durfte. Die Strecke war 3700 Meter lang und fuhr im elektrischen Betrieb über neun Stationen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kamen noch zwei mithilfe der Sowjetunion gebaute Linien dazu (M2 und M3), die im Gegensatz zur M1 auch nach ihrem Bau stark erweitert wurden; erst 2014 wurde die vierte U-Bahn-Linie (M4) in Betrieb genommen. Eine fünfte Linie (M5) befindet sich derzeit in Planung.
FACT BOX
- Das Gesamtnetz der Metró Budapest ist derzeit 39,4 Kilometer lang und beinhaltet 52 Stationen.
- Die Linie M3 verkehrt über eine Länge von mehr als siebzehn Kilometern zur Gänze auf der Ostseite der Donau und hält an zwanzig Stationen.
- Die Budapester U-Bahn ist ein „freies System“, bei dem sich an Eingängen keine Sperren oder ähnliche Vorrichtungen befinden – Zugangskontrollen der Fahrgäste erfolgen durch Kontrolleure am Kopf der Rolltreppen sowie in den Wagen.
- Die tiefste Haltestelle der M3, Kálvin tér, befindet sich 28,24 Meter unter Straßenniveau.
- Die durchschnittliche Entfernung zwischen den Stationen der Linie beträgt 914 Meter.
- Die Linie M3 ermöglicht den zeitgleichen Betrieb von bis zu 31 Zuggarnituren.
Swietelsky Vasúttechnika Kft.
Das Unternehmen Swietelsky Vasúttechnika Kft. ist eine Tochtergesellschaft der SWIETELSKY-Gruppe und nimmt eine Schlüsselrolle im ungarischen Bahnbau ein. Die Geschäftsführung erfolgt durch Szabolcs Vingelmann und Tihamér Vadkerti-Tóth unabhängig von der zweiten großen ungarischen Tochtergesellschaft der Gruppe. Derzeit arbeitet die Swietelsky Vasúttechnika Kft. neben der Sanierung der M3 an zwei weiteren Großprojekten in Ungarn: dem Ausbau der Bahnstrecke Gödöllő—Hatvan sowie der in Kürze abgeschlossenen Tram-Train-Investition zwischen Hódmezővásárhely und Szeged.
Swietelsky Építő Kft.
Die Swietelsky Építő Kft. agiert als eigenständige Konzerngesellschaft seit 1991 am ungarischen Markt. Der Kompetenzschwerpunkt liegt im Straßenbau, Hochbau und Spezialtiefbau, Umwelt- und Wasserbau sowie im U-Bahnbau. Die Geschäftsführung erfolgt durch Árpád Bognár und Zoltán Hegyi. Das Unternehmen ist mit Stationssanierungen beim Projekt M3 beauftragt und verweist auf zahlreiche bedeutende Referenzprojekte in der Hauptstadt Budapest, wie die Renovierung des Burggarten-Basars oder die Neubauten für die Deutsche Schule, das Hard Rock Hotel oder das Geschäftsgebäude GTC White House.