Leo Kirschners Wirken hat die Hochbaukompetenz von SWIETELSKY maßgeblich geprägt. In seiner mehr als vierzigjährigen Karriere hat er im Osten Österreichs eine der größten Filialen der Unternehmensgruppe geformt. So groß, dass man sie nach seinem Ausscheiden teilen wollte.
Vor etwa einem Jahr hat er sich als Leiter seiner Filiale „Hochbau Ost“ zurückgezogen, vorerst in eine Konsulententätigkeit und nunmehr gänzlich. Es war ein eher stiller Rückzug eines Mannes, der eigentlich kein Freund der leisen Töne ist. Leo Kirschner war zeit seines Berufslebens wie seine Bauwerke: so mächtig in ihrer Szenerie, dass man sie nicht übersehen kann, und beständig genug, um Generationen zu überdauern. Mehr als vierzig Jahre lang trieb er so viele Hochbauten in den Himmel und setzte Wohnanlagen in die Landschaft, dass keiner mehr schätzen kann, wie viele es gewesen sein könnten.
Beim ersten Kennenlernen vor wenigen Jahren war dem Autor dieser Zeilen schnell bewusst, worin die große Stärke dieses Mannes liegt. Er ist offenkundig ein begnadeter Kommunikator, der sein Leben lang – auch nach eigener Darstellung im nachstehenden Interview – auf die Kraft der Beziehung von Mensch zu Mensch gesetzt hat. Das ist der bedeutendste Grund, warum sowohl seine Mitarbeiter als auch seine Kunden geblieben sind. Während sie blieben, sind alle gemeinsam gewachsen: die Kunden, die Mitarbeiter, das Team und somit auch Effizienz, Umsatz und Ertrag.
Weil Kirschner Beziehungen schätzt, ist er im Jahr 2013 mit seiner Filiale auch bei SWIETELSKY gelandet. Anlass war das Insolvenzverfahren der ALPINE und die Frage, was in der Folge mit seiner Filiale passieren sollte. Zerschlagung? „Sicher nicht.“ Vielmehr baute Kirschner auf seine vertrauensvolle Bekanntschaft mit einem anderen Mann der Bauwirtschaft: SWIETELSKY-CEO Karl Weidlinger, den er aus früheren Zeiten kannte. Die beiden vereinbarten die Überführung der gesamten Filiale inklusive Mitarbeiter und Anlagevermögen in nur einem Telefonat: „Willst du uns?“ – „Ja, ich will euch.“ – „Dann kommen wir.“ Zwei Männer, ein Wort. So einfach kann das sein. Damit waren die Arbeitsplätze in Kirschners Filiale vorerst gesichert und die strukturellen Voraussetzungen für die Fortführung der Bauvorhaben geschaffen, nachdem diese zuvor vom Masseverwalter gekündigt worden waren.
Das wahre Meisterstück lag zu diesem Zeitpunkt freilich noch vor Kirschner und Weidlinger. Bestandskunden mussten trotz der durch die ALPINE-Insolvenz entstandenen Kalamitäten und Frustrationen gehalten werden. Ihnen war klar: Die Beziehungen durften nicht abbrechen, weder jene zu Kunden noch jene zu Mitarbeitern und auch nicht jene zu Lieferanten sowie Subunternehmern. Kirschner hielt sie alle bei der Stange, startete mit SWIETELSKY neu durch und legte in den folgenden Jahren eine Wachstumsstory hin, die in rund 300 Millionen Euro jährlichem Filialumsatz und spektakulären Projekten wie dem Wiener Austro Tower gipfelte. Mehr dazu von Leo Kirschner persönlich im Interview.
IM GESPRÄCH: Hochbau-Löwe Leo Kirschner über sein bewegtes Berufsleben und was wir daraus lernen könnten
„So circa drei- bis viertausend Wohnungen haben wir eigentlich jedes Jahr gebaut.“
Herr Kirschner, beginnen wir mit einer kleinen Zeitreise zurück, als vor etwas mehr als vierzig Jahren Ihre Karriere bei der damaligen Universale Bau begonnen hat.
Ursprünglich hatte ich bereits unmittelbar nach meiner HTL-Matura etwas mehr als ein Jahr im Generalunternehmerbau der Universale gearbeitet. Nach meinem Studium der Kulturtechnik- und Wasserwirtschaft an der BOKU, das damals als breitestes Baustudium angesehen wurde, bekam ich 1980 die Gelegenheit, ins Ausland zu gehen, genauer gesagt nach Algerien in Nordafrika. Wir bauten dort zuerst eine Hefefabrik mit einem sehr internationalen Team. Ein Pole war unser Techniker, ein Belgier unser Kaufmann, ein Ungar unser Polier, ein Österreicher Maschinist und ich war als Projektleiter vorgesehen. Nach Fertigstellung war ich dann auch noch bei einem Bahnbauprojekt in Algerien tätig. Dabei ging es um einen sehr umfangreichen zweigleisigen Ausbau mit Brücken, Viadukten et cetera bei einem Auftragsvolumen von rund sieben Milliarden Schilling. Ich hatte das Glück, dass mir als junger Bauleiter viel zugetraut wurde.
Das war in den frühen Achtzigern in Nordafrika. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Job sich sehr stark von dem eines heutigen Projektleiters unterschied.
Ja, allerdings. Wir kommunizierten damals über Fernschreiber mit der Zentrale in Österreich und hatten eine Mitarbeiterin, die den ganzen Tag lang die Vorwahl Österreichs gewählt hat, um ein einziges Mal durchgestellt zu werden. Das kann sich heute kein Mensch vorstellen, wie wir damals gearbeitet haben. Aber wir haben es trotzdem bewältigt. Die Risiken waren natürlich hoch, die Margen allerdings auch.
Wie sind Sie im Wiener Hochbau gelandet?
1987 durfte ich zurück nach Österreich und wurde Bereichsleiter für den Hochbau in Wien sowie Prokurist. Im Jahr 2000 wurde die Universale Bau von der ALPINE übernommen, die schrittweise zum zweitgrößten Bauunternehmen Österreichs aufstieg. Ab 2000 war ich Leiter der ALPINE-Filiale Hochbau Ost.
Und dieser Zeitabschnitt bei der ALPINE fand bekanntlich im Jahr 2013 mit der Insolvenz ein jähes Ende. Wie haben Sie das erlebt?
Die Probleme der Alpine mit defizitären Auslandsprojekten waren spätestens seit 2012 branchenweit bekannt. Es gab zahlreiche unterschiedliche Lösungsansätze, wie man mit gesunden Unternehmensteilen wie dem österreichischen verfahren könnte. Unter anderem wurde auch eine Auffanggesellschaft diskutiert. Diese hatte klar den Hintergedanken einer Zerschlagung, was ich für meinen Teil unbedingt vermeiden wollte. Mir ging es darum, den Bestand meiner Filiale mit allen Mitarbeitern, Kunden und Bauvorhaben bestmöglich zu sichern. Denn schließlich war es ein sehr wertvoller Bestand.
Und so wurden Sie sich mit SWIETELSKY einig?
Ich kannte Karl Weidlinger aus dessen Zeit als Geschäftsführer der ALPINE und natürlich kannte auch er mich und mein Team genau. Er wusste, was er mit uns bekommen würde. Und wir haben uns auf ihn verlassen können. Wir haben telefoniert und die Sache mehr oder weniger über Nacht geklärt. Ich fragte: „Willst du uns?“ Er sagte: „Ja, ich will euch“, und dann hab ich gesagt: „Okay, wir kommen.“
Damit waren die Probleme mit Geschäftspartnern infolge der Insolvenz aber noch nicht erledigt, oder?
Natürlich standen wir vor der großen Herausforderung, dass unsere Bauherren teils erhebliche Vorauszahlungen geleistet hatten, die schlussendlich im Insolvenzverfahren der Alpine versickerten. Die Frage war also, ob sie uns weiter ihr Vertrauen schenken würden, damit wir die Kundenbeziehungen und Bauvorhaben in die neue Firma einbringen konnten. Dieses Vertrauen war maßgeblich von den handelnden Personen abhängig. Schlussendlich ist uns das viel besser gelungen, als viele das befürchtet hatten.
Allen Unkenrufen zum Trotz war damit der Grundstein für eine sehr erfolgreiche Entwicklung Ihrer Filiale unter der Marke SWIETELSKY gelegt.
Ja, wir haben unsere Belegschaft hinübergerettet und im Zeitverlauf auch sehr gute Mitarbeiter neu hinzugewonnen. Besonders gut haben wir uns im großvolumigen Wohnbau entwickelt. Circa drei- bis viertausend Wohnungen haben wir fast jedes Jahr gebaut.
Was sind Projekte Ihrer beruflichen Karriere, an die Sie sich sehr gerne erinnern?
Das sind sehr viele und abgesehen von denen in Afrika, die ich eingangs erwähnt habe, insbesondere die vier Hochhäuser Andromeda Tower, Vienna Twin Tower, Hochhaus Neue Donau und zuletzt der Austro Tower. Beim Twin Tower haben wir alle vier Tage ein Geschoß eingezogen und beim Austro Tower haben wir einen Wolkenkratzer mit nur einem Baukran errichtet. Das sind schon Leistungen, auf die ich stolz bin.
Um solche Projekte auch kaufmännisch erfolgreich realisieren zu können, braucht es was genau Ihrer Meinung nach?
Zuallererst braucht es Verträge, die diesen Namen verdienen und nicht von vorneherein besonders vage sind, um anschließend mit Claim Management Geld zu machen. Der Vertrag sollte gut sein, nicht die Rechtsabteilungen. Ganz allgemein: Die Art, wie man miteinander umgeht, entscheidet über die Dauer einer Geschäftsbeziehung. Dazu gehört Handschlagqualität. Das sollte man nicht aus den Augen verlieren.
Wird das denn gelegentlich aus den Augen verloren?
Es ist etwas aus der Mode geraten. Ich fürchte, es haben sich einige Dummheiten in den Alltag eingeschlichen, vor denen wir junge Menschen bewahren sollten. Zum Beispiel, wenn man wegen jeder Kleinigkeit siebzehn E-Mails schreibt und diese jeweils an noch mal so viele Ansprechpartner verteilt. Wir brauchen Verlässlichkeit und keine Massenmails.
Was hat sich noch geändert?
Die Halbwertszeit von Wissen war zu Beginn meiner Karriere bei etwa dreißig Jahren, heute ist sie bei drei Jahren. Das fordert unsere jungen Mitarbeiter enorm. Wir müssen darauf achten, sie nicht zu überfordern, damit sie auf das Wesentliche fokussieren können.
Sind heute nur mehr Zahlen, Daten und Fakten wesentlich?
Die waren auch früher immer schon besonders wichtig. Aber die Art, wie wir miteinander umgehen, sollten wir deshalb nicht verschlechtern. Unterschätzen wir beständig gute Beziehungen nicht.