Seit Jahresbeginn ist Peter Krammer Mitglied des Vorstands der Swietelsky AG. Mit 1. April wird er Langzeit-CEO Karl Weidlinger ablösen. Das Unternehmen sieht er am Übergang in eine neue Zeit, für die es SWIETELSKY optimal aufzustellen gilt. Im Interview spart er nicht mit klaren Ansagen zu einem bevorstehenden Transformationsprozess.
DI Dr. Peter Krammer promovierte 1995 an der TU Wien und sammelte danach in verschiedenen Bauindustrieunternehmen Berufserfahrung, bevor er 2005 als Mitglied des Vorstands in der STRABAG AG die Unternehmensbereiche Umwelttechnik sowie Hoch- und Ingenieurbau / Osteuropa übernahm. 2010 wechselte Krammer in den Vorstand der STRABAG SE und zeichnete dort zuletzt für die Konzernsegmente Süd und Ost verantwortlich. Krammer ist auch in der Österreichischen Bautechnik Vereinigung (ÖBV) ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzender aktiv sowie Branchensprecher der österreichischen Bauindustrie. Wir haben ihn in seinem neuen Büro in der Linzer Konzernzentrale getroffen und mit ihm über seine Agenda als künftiger CEO von SWIETELSKY gesprochen.
Herr Krammer, fühlen Sie sich nach knapp zwei Monaten Einarbeitung bereits angekommen?
Absolut. Ich bin nicht als Branchenneuling in das Unternehmen gekommen, sondern habe bereits ein paar Jahrzehnte in der Bauwirtschaft verbracht und dabei kontinuierlich die Entwicklung von SWIETELSKY mitverfolgt. Die letzten Wochen habe ich trotzdem intensiv dazu genützt, die Besonderheiten des Unternehmens verstehen zu lernen. Und da gibt es durchaus einige.
Die da wären?
Sowohl organisatorische und strukturelle als auch kulturelle. Wie das eben so ist, wenn man von außerhalb kommt: So manches findet man erstaunlich und bewundernswert, anderswo erkennt man Potenziale. Diese aufzudecken und zu heben ist klar mein Auftrag. Völlig richtig und unveränderbar ist jedenfalls das gelebte Bekenntnis zu Unternehmertum und Eigenverantwortung mit Blick auf die operativen Einheiten. Auch die finanziellen Rahmenbedingungen und ein weitgehend resilientes Geschäftsmodell über alle Sparten der Bauindustrie sowie eine gute Position in profitablen Nischen sind eine hervorragende Basis. Um in Zukunft weiterhin eine starke, eigenständige und selbstbewusste Größe am Markt zu bleiben, werden wir uns aber auch sehr konsequent einigen Veränderungen unterziehen müssen. Das möchte ich an der Stelle gar nicht verschweigen.
Warum eigentlich? Läuft doch, oder etwa nicht?
Jede Epoche hat ihre besonderen Herausforderungen. Und wir befinden uns gerade an einem Übergang. Es gilt, unseren Erfolg in eine neue Zeit zu überführen. Während die Halbwertszeit von Innovationen immer kürzer wird und die Rahmenbedingungen sich rasant verändern, müssen wir unsere Strukturen und Prozesse anpassen, aber auch den Fokus unserer Geschäftstätigkeit neu justieren. Es gilt, neue moderne Geschäftsfelder zu erobern oder zu durchdringen, wie zum Beispiel jene, die sich im großen Zusammenhang mit der Energiewende auftun. Zudem müssen wir Sparten und Segmente, in denen wir über einzigartige Wettbewerbsvorteile verfügen, gezielt fördern und Potenziale in der internationalen Expansion nützen. Auch regulatorische Herausforderungen werden innerhalb unserer Branche die Spreu vom Weizen trennen. Denken Sie beispielsweise an ESG-Themen oder die EU-Taxonomie.
Empfinden Sie sich als Changemanager?
Wenn Sie damit einen notwendigen Transformationsprozess meinen, der uns in eine nachhaltig erfolgreiche Zukunft führt, dann ja. Wir brauchen aber keine Angst vor diesem Wandel haben, sondern müssen ihn als Chance begreifen.
Chance wozu?
Wir haben die Möglichkeit bei den großen Themen unserer Zeit, insbesondere der Klima- und Energiewende, bedeutende Akzente zu setzen. Die Energiewende muss gebaut werden. Es braucht dafür unter anderem Fotovoltaik, moderne Wasser- und Pumpspeicherkraftwerke oder den zielgerichteten Einsatz moderner Baustoffe: alles Leistungen, in denen wir hochkompetent sind. Auch die Verkehrswende muss bewerkstelligt werden. Der öffentliche Nahverkehr muss ausgebaut werden. Der Fern- und Güterverkehr muss auf die Schiene. Wir sind selbst führend im internationalen Bahnbau. Wer in unserer Zeit eine Chancen für die Bauwirtschaft erkennt, muss blind sein.
Das klingt nach einem neuen Bauboom.
Der Erfolg wird uns dennoch nicht in den Schoß fallen. Wir müssen unsere Fähigkeiten als Organisation entsprechend ausrichten, unsere Innovationskraft forcieren, Effizienz und Produktivität mit modernen digitalen Methoden steigern, alle benötigten Talente gewinnen und im Unternehmen entwickeln sowie unsere operativen Einheiten von administrativen Aufgaben entlasten.
Braucht es dafür auch so etwas wie einen geistigen Wandel im Unternehmen?
Nein, vielmehr braucht es eine ganz konzentrierte Besinnung auf die Bereitschaft für Veränderung, sich auf Neues einzulassen und sich stetig weiterzuentwickeln.
Was es auf jeden Fall brauchen wird, darin zeigen sich alle Expertinnen und Experten einig, sind Fachkräfte. Was ist Ihr Rezept gegen den Mangel?
Die schrumpfende Erwerbsgesellschaft steht weiterem Wachstum im Weg. Das zwingt uns zu größerer Produktivität. Noch viel mehr als bisher müssen wir digitale Instrumente nützen, um unseren Output qualitativ und quantitativ zu optimieren. Das allein wird uns aber nicht weit genug bringen. Wir müssen darüber hinaus dringend mehr Frauen für bautechnische Berufe begeistern. Nicht zuletzt müssen wir unsere bereits sehr breit aufgestellte Lehrlingsausbildung mit 350 Lehrlingen in über dreißig verschiedenen Berufen weiter intensivieren.
Ist die erwähnte Digitalisierung die Wunderwaffe, als die sie seit Jahren verkauft wird?
Da war viel künstlicher Hype dabei und eine gewisse Ernüchterung ist bereits eingetreten. Digitalisierung ist ein wesentliches Mittel zum Zweck. Sie muss uns dabei unterstützen, in allen Prozessen produktiver und effizienter zu werden. Bausoftware muss helfen, Planungsabläufe, Mängelmanagement, Dokumentation und Reporting zu verbessern. Mit Building Information Modeling kann bereits vor Baubeginn nicht nur das Gebäude virtuell abgebildet werden. Auch die physikalischen und funktionalen Eigenschaften des Gebäudes können über den Lebenszyklus erfasst werden. Das reduziert Materialkosten, Fehlerquoten und Zeitaufwand. Bis zum selbstständig werkenden Robo-Kollegen oder zur Robo-Kollegin wird es sicher noch lange Zeit dauern.
Apropos Robo-Kollegen: Wie stellen Sie sich die Baustelle der Zukunft vor?
Die Vorproduktion wird deutlich zunehmen. Planungsleistungen werden genauer, tiefer, digitaler und sicherer erfolgen. Die Auslastung der Werke wird steigen. Kooperative Projektabwicklung und neue Vertragsmodelle werden sich durchsetzen. Planer/innen, Bauherrinnen/Bauherren, Baudienstleister/innen und Nachunternehmer/innen werden in einem Team spielen und damit ihre Effizienz maximieren.
Was Österreichs Bauunternehmen auch noch eine Weile in die Zukunft begleiten wird, sind die Fehler der Vergangenheit. Wie konnten Baukartelle entstehen und wie wollen Sie das für die Zukunft unterbinden?
Wie das hinter dem Rücken des Managements passieren konnte, haben wir uns – auch zuvor bei der Strabag – bereits oft gefragt. Tatsache ist, dass Kartelle sehr regional agiert und die dezentrale Struktur der Bauwirtschaft ausgenutzt haben. Dennoch: Ich will nichts schönreden, das darf nicht passieren. Es ging aber nicht um das Schädigen von Kundinnen und Kunden oder um Profitmaximierung, sondern vielmehr um Ressourcenauslastung. Es gibt kein Indiz, dass es teurer geworden ist. Klar ist jedenfalls, dass wir alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um derartige Fälle für die Zukunft zu verhindern. Bei SWIETELSKY wurden nun erprobte Compliance-Management-Systeme und -Verfahren implementiert. Wir haben uns zudem den strengsten Zertifizierungen unterzogen. Es gibt eine klare Nulltoleranzpolitik. Kartellabsprachen bringen nichts und kosten wahnsinnig viel. Dieses Bewusstsein muss stetig geschärft werden.
Sie sind auch Sprecher der österreichischen Bauindustrie und als solcher darf ich Sie um Ihre Einschätzung zur aktuellen Baukonjunktur bitten.
Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind zweifellos schwierig. Wir kämpfen mit einer seit Jahrzehnten nicht gekannten Inflation, erheblichen Zinserhöhungen und stark gestiegenen Material- und Energiekosten. Zudem stören globale Konflikte und Nachwirkungen der Pandemie die Lieferketten. Das macht insbesondere der kleinteiligen Bauwirtschaft zu schaffen und bremst die Bautätigkeit im privaten Hochbau. Zu Beginn der Inflation herrschte große Unsicherheit, weil stark steigende Preise nicht unmittelbar weitergegeben werden konnten. Mittlerweile findet eine bessere Berücksichtigung in den Kalkulationen statt, daher steigen allerdings auch die Baupreise stark. Ein Nachfragerückgang könnte zur Entspannung der Lieferketten und Preise führen, allerdings ist die Entwicklung weiterhin schwer absehbar.
Und was bedeutet das konkret für SWIETELSKY?
SWIETELSKY gehört zu den größten drei Bauunternehmen des Landes. Der Auftragsstand des Konzerns ist maßgeblich vom Tiefbau sowie Eisenbahnoberbau getragen. In diesen beiden Sparten ist von positiven Impulsen durch konjunkturstützende öffentliche Investitionen auszugehen. Durch unsere breite Aufstellung sind wir vergleichsweise resilienter gegenüber Einbrüchen in einzelnen Segmenten. SWIETELSKY konnte im ersten Halbjahr 2022/23 das Leistungsvolumen im Vorjahresvergleich steigern und verzeichnet stabile Ergebnisse. Für das gesamte Geschäftsjahr erwarten wir eine Bauleistung über dem Vorjahresniveau bei überwiegend stabilen Ergebniszahlen.
Sie haben es soeben selbst erwähnt, dass Strabag und Porr Ihre unmittelbaren Mitbewerber in der Bauindustrie sind. Wie grenzen Sie sich von diesen beiden Unternehmen ab?
Wir achten nicht täglich auf die Bewegungen unserer Mitbewerber, sondern gehen unseren eigenständigen Weg. Außerdem sind die Rahmenbedingungen unterschiedlich. STRABAG und PORR sind börsennotierte Unternehmen, während SWIETELSKY in privater Hand – unbeeinflusst von täglichen Kursschwankungen – sehr langfristig und nachhaltig planen kann. Das empfinde ich persönlich als Vorteil.
Sie blicken also nicht wehmütig zurück auf Ihre Zeit bei der Strabag?
Nein, keineswegs wehmütig, wenngleich ich dort eine schöne und erfolgreiche Zeit erlebt habe. Viele Erfahrungen und Einsichten nehme ich mit und werde dabei helfen, das Profil des originären Unternehmens SWIETELSKY zukunftsfit zu schärfen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Aufbruch 2023: Die 10-PunkteAgenda von Peter Krammer
1. Stärken bewahren und weiter ausbauen
2. Strukturen und Prozesse anpassen
3. Fokus der Geschäftstätigkeit neu justieren
4. Innovationskraft forcieren
5. Regulatorische Herausforderungen mit Exzellenz meistern
6. Förderung von Sparten und Segmenten mit einzigartigen Wettbewerbsvorteilen
7. Entwicklungspotenzial der ausländischen Märkte heben
8. Effizienz und Produktivität steigern
9. Gewinnung und Förderung von Talenten
10. Filialen und Tochterunternehmen von administrativen Aufgaben entlasten
Lernen Sie jetzt den neuen CEO der SWIETELSKY-Gruppe in einem Videoporträt kennen.