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„Green Deal wird viel Druck machen“

19.10.2020, Lesezeit 5 Minuten
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Ist Nachhaltigkeitsmanagement ein Trendthema oder eine Chance im Wettbewerb? KPMG Unternehmensberater Gert Weidinger im Gespräch.

Mag. Gert Weidinger ist Partner beim Beratungsunternehmen KPMG und einer der führenden Experten zu Kontroll- und Risikomanagementsystemen, zur Untersuchung und Aufklärung wirtschaftskrimineller Handlungen sowie zu Wertemanagement und Business Ethics. Beim Thema Nachhaltigkeit verfügt er über mehr als zehn Jahre Expertise. Er kenne das Geschäftsmodell seiner Kunden nicht besser als diese selbst, gibt er im Gespräch zu, könne aber im Strategieprozess als Sparringpartner dienen, auf Themen und Aspekte hinweisen, die nicht vernachlässigt werden sollten und dem Nachhaltigkeitsprozess eine zielgerichtete Form geben. Genau das tat sein Unternehmen auch für die Swietelsky AG, die 2019 über gesetzliche Verpflichtungen hinaus ihren ersten konzernweiten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichte. Der Bericht wurde in Übereinstimmung mit den GRI-Standards (Option „Kern“) der Global Reporting Initiative (GRI) erstellt und ist online auf swietelsky.com einsehbar.

Herr Weidinger, so mancher mag denken, dass Nachhaltigkeitsmanagement eine grüne Zeitgeisterscheinung ist. Ein Trendthema mit Ablaufdatum?

Nachhaltigkeit ist weder neu noch geht es ausschließlich um Klimaschutz. Insbesondere generationenübergreifend tätige Familienunternehmen sind oft seit jeher auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Es geht um das Erkennen, dass man für Umwelt und Gesellschaft eine Verantwortung hat. Das Wahrnehmen dieser Verantwortung hat wiederum eine Wirkung auf den langfristigen Bestand des Unternehmens. Man sollte diese Themen nicht nur als lästige Verpflichtung betrachten, sondern als Treiber für Innovation.

Geht es im Kern um einen Akt gesellschaftlicher Verantwortung oder um den Kampf um Marktanteile?

Ohne positiv zu wirtschaften wird kein nachhaltiges Unternehmertum möglich sein. Es ist daher wichtig, ökonomische mit sozialen und ökologischen Zielen in der Balance zu halten. Dabei muss man sehen, dass Stakeholder – darunter auch Kunden – nicht nur Produkt oder Preis, sondern ganze Geschäftsmodelle hinterfragen. Wie wird ein Produkt erzeugt? Wie sieht die Lieferkette aus? All das wird in einer digitalen Welt zunehmend transparent. Diese Themen muss man daher als Unternehmen adressieren. „Bad News“ verbreiten sich rasend schnell durch das Internet. Fehlverhalten löst immer öfter imageschädliche „Shitstorms“ aus, umgekehrt kann man durch vorbildliches Verhalten und nachhaltige Unternehmensführung im Wettbewerb punkten.

Welche Unternehmensbereiche sind besonders gefordert?

Das beginnt bereits bei Forschung und Entwicklung, geht über zur Produktion, wo Ressourcenschonung und der Einsatz unbedenklicher Materialien gefragt sind, und reicht bis hin zu Fragen der Haltbarkeit des Produktes und seiner Reparierbarkeit. Schließlich dürfen sich diese Überlegungen nicht auf das eigene Unternehmen beschränken, sondern müssen die Lieferketten einbeziehen. Auch Corporate Finance ist betroffen, weil Investoren immer öfter so genannte ESG-Kriterien (Environment Social Governance) an Unternehmen anlegen. So kann es unter Umständen leichter werden, Anleihen zu platzieren, wenn ich mich im Nachhaltigkeitsbereich engagiere. Es gilt, eine Gesamtstrategie zu definieren, und ausgehend von dieser Strategie gibt es Auswirkungen für nahezu alle operativen Einheiten.

Welche Instrumente braucht es dafür im Unternehmen?

Vorerst ist es die Aufgabe der Unternehmensführung, sich damit auseinanderzusetzen, was es braucht, um langfristigen Erfolg sicherzustellen. In großen Unternehmen wird die operative Umsetzung oft an eine Stabsstelle delegiert, bei KMUs wird es eine Aufgabe der Unternehmensführung sein. Information und Kommunikation sind diesbezüglich sehr entscheidend. Die Digitalisierung kann ein wichtiger Hebel sein.

Können „Nachhaltigkeitserfolge“ vergleichbar gemacht werden?

Die konkrete Indexzahl gibt es noch nicht. Ratingagenturen beschäftigen sich bereits damit, Kennzahlen zu messen und zu vergleichen. Wenn Finanzdienstleister Nachhaltigkeitsfonds auflegen, benötigen Sie Hardfacts und Softfacts, die der Bewertung zu Grunde gelegt werden. Es gibt auch Jurys, die in entsprechenden Wettbewerben Nachhaltigkeitsberichte vergleichend beurteilen. Die Erstellung des Berichtes an die Marketingabteilung zu delegieren reicht jedenfalls nicht. Im Nachhaltigkeitsbereich ist der Weg das Ziel. Ein Nachhaltigkeitsbericht ist dabei ein wichtiger Meilenstein zur Standortbestimmung, Kommunikation und Transparenz.

Werden Kunden den Nachweis erfolgreicher Nachhaltigkeitsbemühungen in Auftragsentscheidungen einbeziehen?

Ausgehend vom öffentlichen Bereich hat diese Entwicklung bereits begonnen. Ein starker regulativer Druck wird kommen. Denken wir an die EU mit dem „Green Deal“, woraus Verordnungen in diese Richtung erlassen werden. Es ist für Unternehmen wichtig, sich frühzeitig mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, nicht erst dann, wenn es gesetzlich gefordert ist.

Wie liegen denn die Branchen in Sachen Nachhaltigkeitsmanagement im Vergleich?

Branchen zu vergleichen ist schwierig, weil die Herausforderungen jeweils in unterschiedlichen Bereichen der Nachhaltigkeit liegen. In der Baubranche geht es verstärkt um Ressourcenverbrauch und aufgrund einiger „schwarzer Schafe“, die uns medial bekannt wurden, auch um Compliance-Themen. Öffentliche Auftraggeber üben hier einen vergleichsweise starken Druck aus. Der Textilhandel hat wiederum eine seiner größten Herausforderungen in den internationalen Lieferketten, Stichwort Arbeitsbedingungen. Sehr große Unternehmen beschäftigen sich vielleicht schon länger strukturiert mit Nachhaltigkeitsmanagement und üben schließlich über die Lieferketten einen zunehmenden Druck auf kleinere Lieferanten aus.

Denken Sie, dass die Bedeutung der Nachhaltigkeitsthematik von der CoV-Krise in den Hintergrund gedrängt wird?

Gerade diese Krise hat bestimmte Fragen der Nachhaltigkeit in den Fokus gerückt. Sind unsere Transportwege in der globalen Wirtschaft zu lang? Sollten wir nicht viele Produkte besser im eigenen Land produzieren und verstärkt auf Regionalität setzen? Der „Green Deal“ hat nicht aufgehört, Druck auszuüben. In den Medien wurde das Thema eventuell zurückgedrängt, aber die Regularien werden weiter vorangetrieben.

Kann Digitalisierung bzw. Building Information Modeling (BIM) genützt werden, um Nachhaltigkeitsanliegen durchzusetzen?

Absolut. BIM hat zum Ziel, die Planung zu optimieren. Es kann beispielsweise helfen, eine höhere Recyclingquote sicherzustellen, und ist ein wesentliches Instrument, Innovation, technologischen Fortschritt, aber auch ökologische Aspekte miteinander zu verknüpfen. Fehler können frühzeitig erkannt werden.

Ist das Sammeln von Zertifikaten geeignet, die eigene Wettbewerbsposition zu stärken?

Zertifikate helfen Kunden als Nachweis, dass ihre Versprechen eingehalten wurden. Auch regulatorisch kommt Zertifikaten eine immer größere Bedeutung zu. Wichtig ist, dass kein Schindluder mit ihnen getrieben wird, sondern sich ein Dritter auf den Wert des Zertifikates verlassen kann. Ein unübersichtlicher „Urwald“ an Zertifikaten teils zweifelhaften Ursprungs muss vermieden werden.

 Mag. Clemens Kukacka

Redaktion

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  Manuel  Dinghofer, MSc

Reportage

Manuel Dinghofer, MSc

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