
Dem Elefanten das Tanzen beibringen


Der Niederösterreicher Harald Gindl (50) stieß im Jahr 2000 zu SWIETELSKY. Seit 2007 hatte er Rechnungswesen und Controlling in der Funktion eines Bereichsleiters verantwortet, darunter auch das Beteiligungscontrolling für Tochterunternehmen im In- und Ausland. Im Vorjahr wurde er in den Vorstand der Swietelsky AG berufen. Seit April 2022 ist er für alle kaufmännischen Bereiche in der Nachfolge des pensionsbedingt ausgeschiedenen Adolf Scheuchenpflug als CFO hauptverantwortlich. Nunmehr seit knapp 22 Jahren im Unternehmen tätig, wirkte Gindl in einer höchst erfolgreichen Phase der Unternehmensgeschichte mit, in der sich die Bauleistung von etwa 300 Millionen im Jahr 2000 auf zuletzt rund 3,4 Milliarden Euro mehr als verzehnfacht hat. In dieser Zeit habe er maßgeblichen Anteil daran gehabt, dass die betriebswirtschaftlichen Strukturen und Prozesse des Unternehmens dieses Wachstum ermöglichten, betonte der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Nagele anlässlich der Bestellung Gindls zum Vorstandsmitglied. Wir haben den nun seit einigen Monaten amtierenden Finanzvorstand zu einem Gespräch in der Linzer Konzernzentrale getroffen.
In der ansonsten dezentralen Organisationsstruktur von SWIETELSKY gibt es einen zentral gesteuerten Kern: die kaufmännischen Geschäftsbereiche. Dorthin berichten unsere operativ tätigen Filialen und Tochterunternehmen im In- und Ausland alle nach den exakt gleichen Standards und Prozessen. In diesem zentralen Kern reflektieren verantwortliche Manager auf die Berichte und behalten den Überblick. Man könnte es auch bildlich beschreiben: Sie müssen sich unsere Filialen vorstellen, wie Schiffe auf rauer See. All diese Schiffe halten stetig Kontakt zu einem Hafen mit Leuchtturm, der unsere Zentrale symbolisiert. Wenn Bedarf besteht, laufen unsere Schiffe immer wieder in diesen Hafen ein und versorgen sich mit allem, was sie brauchen, um auf hoher See bestehen zu können. Segeln müssen diese Schiffe aber selbst. Und da sind wir nun bei der Frage, wie man die Kosten im Griff behält. Jede einzelne unserer tausenden Baustellen ist für sich selbst verantwortlich. Überall gibt es Bauleiter und Poliere, die tagtäglich alles daransetzen, gute Ergebnisse zu erzielen. Dafür gebührt ihnen mein großer Respekt, denn sie machen diesen schwierigen Job exzellent und sie sind es, die unsere Kosten im Griff behalten.
Damit wir ein Unternehmen erwerben, muss es unsere Wertschöpfungskette vertiefen oder erweitern. Das wäre entweder hinsichtlich Portfolio oder Marktgebiet möglich. Besonders wichtig ist uns immer die Voraussetzung, dass es beim Übernahmekandidaten Personal gibt, das eigenständig in der Lage ist, das Unternehmen zu tragen und zu führen. Unsere Akquisitionspolitik ist außerdem sehr risikoavers. Wir haben bislang eher kleinere Unternehmen mit gering ausgeprägten kaufmännischen Fähigkeiten gekauft. Diese Unternehmen sind oft überrascht von der Unterstützung, die sie in diesem Bereich von uns erfahren und auch dankbar dafür. Die Integration erfolgt daher extrem schnell, konsequent und immer nach den gleichen Standards und Prozessen wie eingangs erwähnt.
Die große Selbstständigkeit der von uns erworbenen Einheiten hat weniger etwas mit Flexibilität als mit Stabilität zu tun. Diese Stabilität ist aus mehreren, mitunter auch emotionalen Gründen, dem Verkäufer besonders wichtig. Sie ist aber auch den Mitarbeitern wichtig. Unterschätzen Sie nicht, wie sehr deren Loyalität an einem Firmennamen hängen kann. Unser Ziel ist es immer, dass sich bei einer Akquisition für die bestehenden Mitarbeiter so wenig wie möglich ändert. Dadurch bekommen wir auch sehr viele Verkaufsangebote von Unternehmern, die unsere Philosophie schätzen und denen es nicht nur um den höchstmöglichen Preis, sondern auch um die Interessen ihrer Mitarbeiter geht. Wir wollen schließlich nichts zerstören, was dort über viele Jahre oder gar Generationen aufgebaut wurde. Wir wollen es vielmehr ergänzen und optimieren. Wie weit man beim Optimieren gehen sollte, muss aber tatsächlich immer wieder kritisch hinterfragt werden.
Zumindest in bestimmten Bereichen könnte ein solcher tatsächlich notwendig werden und wir diskutieren hierüber auch sehr lebhaft im Vorstand. Die Selbstständigkeit unserer Filialen und Tochterunternehmen ist uns wichtig, effiziente Synergien allerdings auch. Man muss im Einzelfall abwägen.
Die bei SWIETELSKY gelebte Eigenverantwortung in all ihren Dimensionen. Also zum Beispiel jene der dezentral geführten Filialen und Tochterunternehmen, aber auch die Möglichkeiten zur Selbstentfaltung für Mitarbeiter und Führungskräfte. Ich persönlich konnte es zu Beginn meiner Karriere kaum fassen, wie viel Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum man mir als jungem Mitarbeiter zugestanden hatte. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man als Unternehmen die besseren Arbeitskräfte bekommt, wenn man ihnen die Freiheit einräumt, ihren Arbeitsalltag weitgehend selbst gestalten zu können und sie an konkreten Zielvereinbarungen misst. Die Motivation, die Ideen und die Initiativen, die daraus entstehen, sind von unschätzbarem Wert. Und ja, da passieren gelegentlich auch Fehler. Deren Preis ist nichts anderes als eine Investition in eine innovative Unternehmenskultur. Und eine solche ist mir besonders wichtig. Wer außergewöhnliches erreichen möchte, braucht auch den Mut neue Dinge auszuprobieren und Mitarbeiter, die sich das selbst zutrauen.
Die größten wirtschaftlichen Potenziale liegen in der Digitalisierung. Unsere Branche hinkt diesbezüglich der Investitionsgüterindustrie um Jahrzehnte hinterher. Ich schätze die Effizienzsteigerungspotenziale auf mindestens 20 Prozent, und da spreche ich nicht nur von den Baustellen, sondern ausdrücklich auch von den kaufmännischen Geschäftsbereichen, sowie allen Stabsstellen. Außerdem sehe ich erhebliche Wachstumspotenziale für SWIETELSKY in einzelnen Märkten wie Deutschland und Polen, jeweils aus unterschiedlichen Gründen. Und nicht zuletzt sehe ich auch Potenziale in Geschäftsmodellen, die durch den Klimawandel beziehungsweise die Nachhaltigkeitsthematik getrieben sind.
Im Moment kommt bei Vorstands-Vorwörtern in Geschäftsberichten eine Phrase besonders stark in Mode: „Ein Ausblick ist nicht möglich.“ Und tatsächlich sehe ich das auch selbst aufgrund der beispiellosen Gemengelage, die Sie in Ihrer Frage aufgezählt haben, genauso. Zu einer wohl wenig überraschenden Einschätzung lasse ich mich aber dennoch hinreißen: Wir werden leider keine Verdreifachung unserer Margen wie so mancher Energiekonzern oder Rohstoffproduzent hinbekommen. Als Profiteur der Situation sind wir sicher nicht zu betrachten.
Besonderes Augenmerk legt man als vorsichtiger Kaufmann in volatilen Zeiten auf die Liquidität. Das ist eine unserer traditionellen Stärken, die aber aktuell sehr herausgefordert wird, weil natürlich auch unsere Kunden und Lieferanten ihre Liquidität optimieren. Wir wollen mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen in einer Position der Handlungsstärke bleiben, auch was kurzfristige Möglichkeiten für weitere Akquisitionen betrifft. Hinsichtlich Treasury gehen wir sehr konservativ vor. Wir decken uns nicht langfristig riskant mit Rohstoffen ein, sondern bleiben bei unserer Regel: Gekauft wird nur, wofür wir eine Baustelle haben.
Dahinter verbirgt sich ein riesiger Aufwand, der mit zunehmender Geschwindigkeit auf unser Unternehmen und seine Mitarbeiter zurollt. Es geht darum, jede Art von uns geleisteter Arbeit hinsichtlich ihrer CO2 -Intensität zu klassifizieren, um darüber in enormer Detailtiefe Rechenschaft abzulegen. Dafür gibt es präzise Anforderungen und Fristen. Nun haben wir in unserem Fall abertausende Points of Work, also Baustellen, im Konzern, was deren detaillierte Erfassung hinsichtlich CO2 -Intensität besonders komplex macht. Im Ergebnis werden die CO2 -Emissionen von Bauvorhaben sinken, zumal nicht nur wir von der Regulatorik getrieben sind, sondern auch unsere Kunden, die Bauherren. Dieser Transformationsprozess wird die Dekarbonisierung vorantreiben, aber uns als Unternehmen wie auch als gesamte Branche sehr stark fordern. Viel billiger wird das Bauen dadurch jedenfalls nicht.
Wir haben einen Innovations-Hub als Stabsstelle des Vorstands gegründet. Dort werden eingereichte Ideen in Themengruppen geclustert, weiter ausgereift und einer Umsetzung zugeführt. Clemens Kukacka, der auch bereits den Prozess „Festival der Ideen“ umgesetzt hat, wird als Leiter des Innovations-Hubs dafür sorgen, dass die Themengruppen transparent, effizient und offen für alle, die daran mitwirken wollen, arbeiten können. Unser Wunsch als Vorstand ist, dass sich möglichst viele engagierte Mitarbeiter in die Umsetzung von Ideen einbringen und den Innovations-Hub als Plattform nützen, den Konzern als Ganzes mitzugestalten. SWIETELSKY baut auf Ideen, das ist keine leere Werbefloskel, sondern unser gelebtes Selbstverständnis. In Zukunft mehr denn je.
Wenn eine solche Auszeichnung etwas mit mir machen würde, dann wäre das sehr bedenklich. Über so etwas freuen sich üblicherweise die Eltern und das ist gut so. Ich würde aber nicht kategorisch sagen, dass ich mich abseits der Bühne wohler fühle. Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen. Meistens braucht es dafür keine Bühne und manchmal eben schon. Etwa wenn viele zuhören sollen, damit gemeinsam etwas weitergebracht wird.