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„Für unsere Schiffe sind wir ein Hafen mit Leuchtturm“

22.09.2022, Lesezeit 7 Minuten
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SWIETELSKY-CFO Harald Gindl über das komplexe Zusammenspiel zwischen den zentralen Geschäftsbereichen und dezentralen Profit-Centern des Konzerns.

Der Niederösterreicher Harald Gindl (50) stieß im Jahr 2000 zu SWIETELSKY. Seit 2007 hatte er Rechnungswesen und Controlling in der Funktion eines Bereichsleiters verantwortet, darunter auch das Beteiligungscontrolling für Tochterunternehmen im In- und Ausland. Im Vorjahr wurde er in den Vorstand der Swietelsky AG berufen. Seit April 2022 ist er für alle kaufmännischen Bereiche in der Nachfolge des pensionsbedingt ausgeschiedenen Adolf Scheuchenpflug als CFO hauptverantwortlich. Nunmehr seit knapp 22 Jahren im Unternehmen tätig, wirkte Gindl in einer höchst erfolgreichen Phase der Unternehmensgeschichte mit, in der sich die Bauleistung von etwa 300 Millionen im Jahr 2000 auf zuletzt rund 3,4 Milliarden Euro mehr als verzehnfacht hat. In dieser Zeit habe er maßgeblichen Anteil daran gehabt, dass die betriebswirtschaftlichen Strukturen und Prozesse des Unternehmens dieses Wachstum ermöglichten, betonte der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Nagele anlässlich der Bestellung Gindls zum Vorstandsmitglied. Wir haben den nun seit einigen Monaten amtierenden Finanzvorstand zu einem Gespräch in der Linzer Konzernzentrale getroffen.

Herr Gindl, lassen Sie mich ganz naiv beginnen: Wie behält man in einem Konzern mit 12 000 Beschäftigten auf tausenden aktiven Baustellen in 21 Ländern den Überblick – und die Kosten im Griff?

In der ansonsten dezentralen Organisationsstruktur von SWIETELSKY gibt es einen zentral gesteuerten Kern: die kaufmännischen Geschäftsbereiche. Dorthin berichten unsere operativ tätigen Filialen und Tochterunternehmen im In- und Ausland alle nach den exakt gleichen Standards und Prozessen. In diesem zentralen Kern reflektieren verantwortliche Manager auf die Berichte und behalten den Überblick. Man könnte es auch bildlich beschreiben: Sie müssen sich unsere Filialen vorstellen, wie Schiffe auf rauer See. All diese Schiffe halten stetig Kontakt zu einem Hafen mit Leuchtturm, der unsere Zentrale symbolisiert. Wenn Bedarf besteht, laufen unsere Schiffe immer wieder in diesen Hafen ein und versorgen sich mit allem, was sie brauchen, um auf hoher See bestehen zu können. Segeln müssen diese Schiffe aber selbst. Und da sind wir nun bei der Frage, wie man die Kosten im Griff behält. Jede einzelne unserer tausenden Baustellen ist für sich selbst verantwortlich. Überall gibt es Bauleiter und Poliere, die tagtäglich alles daransetzen, gute Ergebnisse zu erzielen. Dafür gebührt ihnen mein großer Respekt, denn sie machen diesen schwierigen Job exzellent und sie sind es, die unsere Kosten im Griff behalten.

SWIETELSKY hat über die Jahrzehnte unzählige Unternehmen an Bord genommen, die auf dem Markt unter ihrem ursprünglichen Firmennamen und mit eigener Geschäftsführung auftreten. Wie integriert man diese sehr selbstständigen Einheiten aus Sicht von Rechnungswesen und Controlling?

Damit wir ein Unternehmen erwerben, muss es unsere Wertschöpfungskette vertiefen oder erweitern. Das wäre entweder hinsichtlich Portfolio oder Marktgebiet möglich. Besonders wichtig ist uns immer die Voraussetzung, dass es beim Übernahmekandidaten Personal gibt, das eigenständig in der Lage ist, das Unternehmen zu tragen und zu führen. Unsere Akquisitionspolitik ist außerdem sehr risikoavers. Wir haben bislang eher kleinere Unternehmen mit gering ausgeprägten kaufmännischen Fähigkeiten gekauft. Diese Unternehmen sind oft überrascht von der Unterstützung, die sie in diesem Bereich von uns erfahren und auch dankbar dafür. Die Integration erfolgt daher extrem schnell, konsequent und immer nach den gleichen Standards und Prozessen wie eingangs erwähnt.

Die große Selbstständigkeit der Tochterunternehmen ist sicher ein Vorteil hinsichtlich deren Flexibilität am Markt. Aber macht das nicht an anderer Stelle auch Probleme?

Die große Selbstständigkeit der von uns erworbenen Einheiten hat weniger etwas mit Flexibilität als mit Stabilität zu tun. Diese Stabilität ist aus mehreren, mitunter auch emotionalen Gründen, dem Verkäufer besonders wichtig. Sie ist aber auch den Mitarbeitern wichtig. Unterschätzen Sie nicht, wie sehr deren Loyalität an einem Firmennamen hängen kann. Unser Ziel ist es immer, dass sich bei einer Akquisition für die bestehenden Mitarbeiter so wenig wie möglich ändert. Dadurch bekommen wir auch sehr viele Verkaufsangebote von Unternehmern, die unsere Philosophie schätzen und denen es nicht nur um den höchstmöglichen Preis, sondern auch um die Interessen ihrer Mitarbeiter geht. Wir wollen schließlich nichts zerstören, was dort über viele Jahre oder gar Generationen aufgebaut wurde. Wir wollen es vielmehr ergänzen und optimieren. Wie weit man beim Optimieren gehen sollte, muss aber tatsächlich immer wieder kritisch hinterfragt werden.

…etwa am Beispiel eines zentralen Einkaufs?

Zumindest in bestimmten Bereichen könnte ein solcher tatsächlich notwendig werden und wir diskutieren hierüber auch sehr lebhaft im Vorstand. Die Selbstständigkeit unserer Filialen und Tochterunternehmen ist uns wichtig, effiziente Synergien allerdings auch. Man muss im Einzelfall abwägen.

Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit: Sie haben in Ihren nunmehr 22 Jahren bei SWIETELSKY die Entwicklung des Umsatzes von rund 300 Millionen Euro im Jahr 2000 auf zuletzt rund 3,4 Milliarden Euro heutzutage miterlebt und mitgestaltet. Was waren aus Ihrer Sicht die entscheidenden Faktoren für diese Erfolgsgeschichte?

Die bei SWIETELSKY gelebte Eigenverantwortung in all ihren Dimensionen. Also zum Beispiel jene der dezentral geführten Filialen und Tochterunternehmen, aber auch die Möglichkeiten zur Selbstentfaltung für Mitarbeiter und Führungskräfte. Ich persönlich konnte es zu Beginn meiner Karriere kaum fassen, wie viel Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum man mir als jungem Mitarbeiter zugestanden hatte. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man als Unternehmen die besseren Arbeitskräfte bekommt, wenn man ihnen die Freiheit einräumt, ihren Arbeitsalltag weitgehend selbst gestalten zu können und sie an konkreten Zielvereinbarungen misst. Die Motivation, die Ideen und die Initiativen, die daraus entstehen, sind von unschätzbarem Wert. Und ja, da passieren gelegentlich auch Fehler. Deren Preis ist nichts anderes als eine Investition in eine innovative Unternehmenskultur. Und eine solche ist mir besonders wichtig. Wer außergewöhnliches erreichen möchte, braucht auch den Mut neue Dinge auszuprobieren und Mitarbeiter, die sich das selbst zutrauen.

Nun polieren wir die Glaskugel und schauen in die Zukunft: Welche Potenziale, welche Märkte bieten Entwicklungsmöglichkeiten für das Unternehmen?

Die größten wirtschaftlichen Potenziale liegen in der Digitalisierung. Unsere Branche hinkt diesbezüglich der Investitionsgüterindustrie um Jahrzehnte hinterher. Ich schätze die Effizienzsteigerungspotenziale auf mindestens 20 Prozent, und da spreche ich nicht nur von den Baustellen, sondern ausdrücklich auch von den kaufmännischen Geschäftsbereichen, sowie allen Stabsstellen. Außerdem sehe ich erhebliche Wachstumspotenziale für SWIETELSKY in einzelnen Märkten wie Deutschland und Polen, jeweils aus unterschiedlichen Gründen. Und nicht zuletzt sehe ich auch Potenziale in Geschäftsmodellen, die durch den Klimawandel beziehungsweise die Nachhaltigkeitsthematik getrieben sind.

Bevor SWIETELSKY den Rest der Welt erobert, könnte eine empfindliche wirtschaftliche Abkühlung bevorstehen, Stichwort Inflation, Lieferketten, Ukraine, Energiepreise et cetera. Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Lage in Europa ein?

Im Moment kommt bei Vorstands-Vorwörtern in Geschäftsberichten eine Phrase besonders stark in Mode: „Ein Ausblick ist nicht möglich.“ Und tatsächlich sehe ich das auch selbst aufgrund der beispiellosen Gemengelage, die Sie in Ihrer Frage aufgezählt haben, genauso. Zu einer wohl wenig überraschenden Einschätzung lasse ich mich aber dennoch hinreißen: Wir werden leider keine Verdreifachung unserer Margen wie so mancher Energiekonzern oder Rohstoffproduzent hinbekommen. Als Profiteur der Situation sind wir sicher nicht zu betrachten.

Wie stellt man generell einen Konzern in einer volatilen Phase auf? Kann das Treasury Vorkehrungen treffen?

Besonderes Augenmerk legt man als vorsichtiger Kaufmann in volatilen Zeiten auf die Liquidität. Das ist eine unserer traditionellen Stärken, die aber aktuell sehr herausgefordert wird, weil natürlich auch unsere Kunden und Lieferanten ihre Liquidität optimieren. Wir wollen mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen in einer Position der Handlungsstärke bleiben, auch was kurzfristige Möglichkeiten für weitere Akquisitionen betrifft. Hinsichtlich Treasury gehen wir sehr konservativ vor. Wir decken uns nicht langfristig riskant mit Rohstoffen ein, sondern bleiben bei unserer Regel: Gekauft wird nur, wofür wir eine Baustelle haben.

Was verbirgt sich für den Finanzprofi hinter den Begriffen „EU-Taxonomie“ und „nicht-finanzielle Berichterstattungspflicht“?

Dahinter verbirgt sich ein riesiger Aufwand, der mit zunehmender Geschwindigkeit auf unser Unternehmen und seine Mitarbeiter zurollt. Es geht darum, jede Art von uns geleisteter Arbeit hinsichtlich ihrer CO2 -Intensität zu klassifizieren, um darüber in enormer Detailtiefe Rechenschaft abzulegen. Dafür gibt es präzise Anforderungen und Fristen. Nun haben wir in unserem Fall abertausende Points of Work, also Baustellen, im Konzern, was deren detaillierte Erfassung hinsichtlich CO2 -Intensität besonders komplex macht. Im Ergebnis werden die CO2 -Emissionen von Bauvorhaben sinken, zumal nicht nur wir von der Regulatorik getrieben sind, sondern auch unsere Kunden, die Bauherren. Dieser Transformationsprozess wird die Dekarbonisierung vorantreiben, aber uns als Unternehmen wie auch als gesamte Branche sehr stark fordern. Viel billiger wird das Bauen dadurch jedenfalls nicht.

Sie sind persönlich nicht nur für das Finanzwesen zuständig, sondern auch für die „Common Services“, unter anderem IT, Personal und Marketing. Damit sind Sie auch der erste Ansprechpartner, wenn ich an das „Festival der Ideen“ denke, das SWIETELSKY im Juni durchgeführt hat: Ein riesiger Ideenwettbewerb quer durch den ganzen Konzern, der hunderte kleine und große Verbesserungsvorschläge zutage gefördert hat. Was passiert jetzt mit all diesen Anregungen?

Wir haben einen Innovations-Hub als Stabsstelle des Vorstands gegründet. Dort werden eingereichte Ideen in Themengruppen geclustert, weiter ausgereift und einer Umsetzung zugeführt. Clemens Kukacka, der auch bereits den Prozess „Festival der Ideen“ umgesetzt hat, wird als Leiter des Innovations-Hubs dafür sorgen, dass die Themengruppen transparent, effizient und offen für alle, die daran mitwirken wollen, arbeiten können. Unser Wunsch als Vorstand ist, dass sich möglichst viele engagierte Mitarbeiter in die Umsetzung von Ideen einbringen und den Innovations-Hub als Plattform nützen, den Konzern als Ganzes mitzugestalten. SWIETELSKY baut auf Ideen, das ist keine leere Werbefloskel, sondern unser gelebtes Selbstverständnis. In Zukunft mehr denn je.

Gleich zu Beginn Ihrer Vorstandstätigkeit wurden Sie von einem führenden Branchenmagazin unter die Top Ten der wichtigsten Bau- und Immobilienpersönlichkeiten Österreichs gewählt. Was macht so eine öffentliche Auszeichnung mit einem, der sich sonst lieber abseits der Bühne ums Geschäft kümmert?

Wenn eine solche Auszeichnung etwas mit mir machen würde, dann wäre das sehr bedenklich. Über so etwas freuen sich üblicherweise die Eltern und das ist gut so. Ich würde aber nicht kategorisch sagen, dass ich mich abseits der Bühne wohler fühle. Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen. Meistens braucht es dafür keine Bühne und manchmal eben schon. Etwa wenn viele zuhören sollen, damit gemeinsam etwas weitergebracht wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

  Peter  Schöndorfer

Redaktion

Peter Schöndorfer

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