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Die riskante Welt der Mineure

19.10.2020, Lesezeit 4 Minuten
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Die Tunnelbauer von SWIETELSKY kennen ihre Berufsrisiken. Sie wissen sich und andere zu schützen. Wir haben uns in Rudersdorf davon überzeugen dürfen.

Es ist ein sonniger Herbsttag, als unser Reportageteam das mächtige Baufeld der ARGE Tunnel Rudersdorf erreicht. Dort angekommen erwartet uns ein Wechsel in eine schwülwarme und vergleichsweise staubige Atmosphäre unter Tage. Vorerst aber beeindruckt uns der Anblick von zwei mächtigen Tunnelröhren, die aus der Erde herausragen und sich weiter über das Erdreich erstrecken. Man erkennt gleich ein wesentliches Merkmal dieses ungewöhnlichen Projekts: Die beiden Tunnelröhren werden zu Teilen in geschlossener Bauweise, also unter Tage, und in offener Bauweise errichtet. Beim offenen Abschnitt werden die Tunnelröhren erst nach Fertigstellung des Bauwerks wieder mit Erde zugeschüttet. Sowohl topografische als auch geologische Bedingungen und die beauftragte Trassenführung sind für diese Konstruktionsweise verantwortlich. Als wir uns der Bauleitung nähern, fällt auf, dass es kein Containerdorf gibt, in dem der rund achtzigköpfige Bautrupp übernachten könnte. Wir erfahren später, dass alle Mitarbeiter von SWIETELSKY in umliegenden Gasthöfen untergebracht sind. Einerseits, weil dies mehr Komfort biete, und andererseits, weil es sicherer in Bezug auf COVID-19 sei.

Freundlich werden wir von zwei Bautechnikern empfangen. Melanie Krüger (29) und Michael Pölzl (29) werden uns durch die Tunnel begleiten und unsere Neugierde stillen. Gewissenhaft erläutern sie uns die von Besuchern einzuhaltenden Sicherheitsvorschriften. Wir müssen festes Schuhwerk tragen, bekommen Warnweste und Bauhelm und werden dringend ermahnt, uns von Baufahrzeugen im Tunnel fernzuhalten. Die beiden Tunnelbauer haben in Leoben studiert. Während sie dem sächsischen Erzgebirge entstammt, kommt er aus dem steirischen Bruck an der Mur. Was sie verbindet, ist die Begeisterung für den Untertagebau. Beide sind über Praktika beim Projekt „Zentrum am Berg“ zu SWIETELSKY gestoßen. Da es sich bei dieser Tunnelanlage um ein Test- und Übungszentrum für Einsatzkräfte handelt, sind sie von Beginn an bestens mit allen Sicherheitsstandards vertraut. Es gibt nicht viele Menschen, die sich für diese doch sehr ungewöhnliche Arbeitsumgebung im Tunnel entscheiden. „Man muss die spezielle Atmosphäre hier mögen, um den Job gut machen zu können. Außerdem ist es wichtig, sich den Respekt der Kollegen zu verdienen, anstatt als junger Mitarbeiter mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Dann hat man auch als Frau kein Problem im Umgang mit dem männlich dominierten Umfeld“, meint Melanie Krüger und zeigt damit, dass auch in einer rauen Arbeitswelt der Ton die Musik macht.

Interessanterweise kämen die meisten Mineure aus dem Kärntner Mölltal. Das sei traditionell der Fall, erzählt Michael Pölzl. „Die Mitglieder des Vortriebsdrittels kennen sich gut und können sich aufeinander verlassen, was gerade unter potenziell gefährlichen Umständen besonders wichtig ist.“ Lehrlinge dürfen im Tunnelbau nicht arbeiten. Das gesetzliche Mindestalter beträgt achtzehn Jahre. Viele haben einen beruflichen Hintergrund als Schlosser oder Zimmerer und arbeiten hier auch wegen der hervorragenden Verdienstchancen. Ob die Routine und Erfahrung sie manchmal in Sicherheitsthemen nachlässig werden lässt, wollen wir wissen. „Nein, gerade die Erfahrung schafft Bewusstsein für die Risiken und die Verantwortung gegenüber Kolleginnen und Kollegen“, betont Pölzl.

Auch deswegen passieren Unfälle nur sehr selten. Damit das so bleibt, gibt es jede Menge Sicherheitsvorkehrungen, wichtigstes Prinzip dabei: Selbstrettung geht vor Fremdrettung. Über insgesamt sieben Querschläge im Untertagevortrieb und drei in der offenen Bauweise können Arbeiter im Notfall die Tunnelröhre wechseln. Zwei Querschläge sind auch für Einsatzfahrzeuge befahrbar. Wenn von der Ortsbrust (Stelle eines Tunnels, an der bergmännischer Vortrieb stattfindet) bis zum nächsten Querschlag mehr als 500 Meter liegen, braucht es einen Rettungscontainer als Rückzugsort bei Brandszenarien. Mit sogenannten Selbstrettern können sich bis zu fünfzehn Bergmänner bis zur Schließung des Containers mit Sauerstoff versorgen. Nach der Schließung sichern acht große Sauerstoffflaschen das Überleben. Somit können die Mineure bis zu vierundzwanzig Stunden unter weitgehend sicheren Bedingungen ausharren, bis die Rettungskräfte eintreffen. Jeder Container ist mit autarker Stromversorgung, Löschdecken, Wasserflaschen, Verbandskasten, Handlampen für jede Person und sogar mit Notdurftbehältern ausgestattet. „Ich bin froh, dass ich noch nie ein reales Brandszenario erlebt habe. Umso wichtiger ist es, an entsprechenden Übungen mitzuwirken“, meint Michael Pölzl.

Im Notfall verständigt der Bauleiter die Einsatzkräfte. Bei Eintreffen an definierten Lotsenpunkten werden sie vom Baustellenpersonal zum Unfallort geführt. Durch ein Personenerfassungssystem weiß die Bauleitung zu jedem Zeitpunkt, wie viele Personen sich in welcher Tunnelröhre aufhalten und auch welche Personen das namentlich sind. Als wir weitergehen fällt uns eine mächtige Luftleitung an der Decke auf. „Über diese sogenannte Lutte werden die frischen Wetter (Luft) in den Tunnel befördert. Wir messen auch täglich die Parameter der Luftgüte. Außerdem messen wir alle vierzehn Tage die Beleuchtungsstärke im Tunnel. Diese muss an Arbeitsplätzen mehr als sechzig Lux erreichen“, betont Michael Pölzl. Bevor ein Lkw, dessen Reifen gefühlt größer als wir selbst sind, an uns vorbeizieht, um Ausbruchmaterial abzutransportieren, schiebt uns Melanie Krüger sofort auf die seitliche Spur direkt unterhalb der Lutte und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die verschiedenfärbigen Beleuchtungskörper: „Blau bedeutet Wasseranschluss, Grün indiziert einen Querschlag, also einen Notausgang, und Rot kennzeichnet einen Stromanschluss“, erklärt sie. Schließlich angekommen an der Ortsbrust sehen wir, dass der Vortrieb mittels Bagger durchgeführt wird. Michael Pölzl erklärt, warum: „Abhängig von der örtlichen Geologie, aber auch von wirtschaftlichen Überlegungen entscheidet man sich für konventionellen oder maschinellen Vortrieb. In diesem bindigen Boden, bestehend aus Ton, Schluff und Sand sowie unter Berücksichtigung der Tunnellänge ist der Bagger in Rudersdorf das Mittel der Wahl.“

Auch wenn die gesammelten Eindrücke unseres kurzen Ausflugs in die Tunnelbaustelle zweifellos imposant sind, freuen wir uns, als wir mit dem Pick-up-Truck der Bauleitung wieder frische Luft erreichen. Was bleibt, ist der Respekt vor der hohen Kompetenz der Mineure und ihrem sorgsamen Umgang mit sehr speziellen Berufsrisiken in einer ungewöhnlichen Atmosphäre. Glück auf!

ARBEITSSICHERHEIT BEI SWIETELSKY

Von Bruno Wyhs, Sicherheitsfachkraft

Mitarbeiter, Geschäftspartner und Anrainer sollen auf Baustellen von SWIETELSKY vor Unfällen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen entsprechend höchstmöglichen Standards geschützt werden. Ihre Sicherheit hat für das Unternehmen oberste Priorität. SWIETELSKY achtet daher stets auf die strikte Einhaltung der Vorschriften zur Unfallvermeidung. Dabei spielt die ständige Kontrolle des Umgangs mit gefährlichen Situationen eine wesentliche Rolle. Unsere Sicherheitskultur umfasst intensive und zielgerichtete Präventionsarbeit, aber auch ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Jedem Unfall und jeder vermeidbaren gesundheitlichen Beeinträchtigung gilt es vorzubeugen. Interessierte Leser erfahren dazu mehr in unserem Nachhaltigkeitsbericht.

 Mag. Clemens Kukacka

Redaktion

Mag. Clemens Kukacka

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