SWIETELSKY-Personalentwicklerin Kathrin Hamedinger wollte von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Güttel wissen, was Organisationen und Führungskräfte unter Krisenbedingungen beachten müssen.
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Güttel ist Professor an der TU Wien und Führungskräftetrainer. Er gilt als Experte für die Themen Führung und Change. Güttel hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten dazu veröffentlicht und hält im Rahmen des SWIETELSKY-Lehrgangs Leadership das Seminar „Führung im organisationalen Kontext“ für Bereichsleiter und Geschäftsführer im Konzern.
Kann man in der Coronakrise als Organisation etwas lernen?
In der Krise tritt der Charakter der Organisation und der Charakter von Personen deutlicher zum Vorschein, ebenso die Fähigkeiten, die aufgebaut wurden, um mit ungewöhnlichen Dingen umzugehen. Diese kann und soll man sich zu Nutze machen. Man sieht manchmal in einer Krise besser, was funktioniert und was nicht funktioniert.
Was müssen Führungskräfte können, um sich als Krisenmanager zu profilieren?
Was den Umgang mit Krisen so schwierig macht, ist der Umgang mit Widersprüchen, Paradoxien. Einerseits muss realistisch, andererseits aber auch optimistisch gehandelt werden. Es ist darauf zu achten, wie man aktuell das Unternehmen so gut wie möglich durch die Krise steuert und zugleich Vorteile für die künftige Erschließung neuer Märkte mitnehmen kann. Als Führungskraft muss ich in dieser Situation Themen schnell an mich ziehen, andere Themen wiederum abgeben, muss mich um meine Mitarbeiter kümmern, gleichzeitig aber die Liquidität sicherstellen. Viele Widersprüchlichkeiten treten gleichzeitig auf und müssen zugleich rasch bearbeitet werden. In normalen Zeiten könnte man sie zeitlich oder organisatorisch leicht trennen.
Ist eine dezentrale Organisation wie jene von SWIETELSKY aktuell ein Vorteil?
Die Dezentralität von SWIETELSKY ist ein positives Beispiel für Flexibilisierung. Sich auf unterschiedliche Auftraggeber, Kooperationspartner und Umweltbedingungen einstellen zu können, ist ein großer Vorteil für die Organisation. Aber zwei Aspekte sind dabei wesentlich: Führungskräfte müssen nah zusammenrücken und ein gemeinsames Führungsverständnis muss geschaffen werden. Es geht um die Frage: Wie ticken wir als SWIETELSKY? Zudem braucht es einen Platz für Erfahrungsaustausch. Erfahrungswerte der Organisation schnell und effektiv zu nutzen wäre ein großer Effizienztreiber. Ein Vorteil von Dezentralität ist auch, dass man relativ schnell neue Einheiten, die neue Geschäftsfelder adressieren, an bestehende Einheiten anbinden kann. Somit können innovative neuartige Geschäftsmodelle ausprobiert werden. Wir sprechen hier auch von organisationaler Ambidextrie (beidhändig): eine Hand, die das Kerngeschäft gut und effizient führt, und die zweite Hand, die Innovationsprojekte forciert. In einer dezentralen Organisation wie bei SWIETELSKY ist das gut möglich, andere tun sich hierbei viel schwerer.
Teilen Sie also die Einschätzung, dass dezentrale Einheiten einen Konzern robuster machen?
Ja. Obwohl es theoretisch sein könnte, dass einige Bereiche schlimm getroffen werden und man Teile schließen oder verkaufen muss, können andere Bereiche das abfedern oder sogar einen Nutzen daraus ziehen.
Was müssen moderne Führungskräfte in der Mitarbeiterführung beachten?
Mitarbeiterführung bedeutet für mich als Führungskraft im Forschungsbereich die Schaffung inspirierender Räume, Raum für den Einzelnen, aber auch Raum für das Team. Für SWIETELSKY kann Mitarbeiterführung bedeuten, einerseits klare Strukturen und Ausrichtung vorzugeben – also meine Mitarbeiter gut, sicher und trotzdem effizient durch den Arbeitsalltag zu bringen – und andererseits auch offen zu sein für Inspiration im Sinne von Verbesserungspotenzial erkennen und neue Wege ausprobieren.
Welche Möglichkeiten sollten Mitarbeiter nützen, um sich weiterzubilden?
Weiterbildung in der heutigen Zeit ist nicht mehr „nur“ mit einer Teilnahme an einer Präsenzveranstaltung gleichzusetzen. Es gibt viele Formen, sich weiterzubilden – durch Recherche im Internet, Lesen von Fachartikeln, Erklärvideos auf Youtube, Teilnahme an Webinaren und vieles mehr. Durch die digitalen Medien ist ein Wissensaustausch schnell möglich, aber nicht alles kann dadurch vermittelt werden. Dort wo es darum geht, zwischen den Zeilen zu lesen, sich auszutauschen, Vertrauen aufzubauen, Kreativprozesse anzuregen, ist nur der Präsenzmodus erfolgversprechend.
Wie schafft man es, zwischen sinnvoller und unsinniger Weiterbildung zu unterscheiden?
Das Wichtigste ist, sich Zeit zu nehmen, um im eigenen Bereich strategisch zu planen. Man sollte sich überlegen, wo man persönlich mit dem Team hinmöchte und wie eine Weiterqualifizierung dabei unterstützen kann. Schließlich sollte man eine Auswahl treffen: Aus welchen Kanälen bekomme ich Informationen bzw. Wissen? Was bekomme ich aus dem Internet, was aus meinem Netzwerk und was im Seminarkontext beim dortigen Erfahrungsaustausch mit Kollegen sowie von den Inputs der Vortragenden? Zuletzt sollte man sich Zeit nehmen, um das neue Wissen zu verarbeiten. So würde eine Anleitung für einen produktiven Entwicklungspfad aussehen.