Im Gespräch mit Schülern der HTL Villach versuchen wir herauszufinden, wie sie die Bauwirtschaft sehen, welche Rolle Work-Life-Balance dabei spielt und wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorstellen.
Die Schüler der HTL Villach sind täglich umgeben von ihren eigenen bautechnischen Errungenschaften, mit denen sie sich auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten. Das Gebaute lässt die begehrten Nachwuchskräfte in eine chancenreiche Zukunft blicken, die sie natürlich dennoch unterschiedlich sehen. Baumeister Diplomingenieur Gerhard Alberer, Abteilungsvorstand für Hochbau an der HTL Villach, hat uns ein Gespräch mit Lena Bürgler, Miriam Brunner, Stefan Kogler, Ljubica Stipić, Elvis Sehic und Mario Mršić ermöglicht, in dem uns die Schüler tief in ihre Jobwünsche und Lebenseinstellungen blicken lassen.
Hintergrund und Motive
Die Motive, sich für den Bau zu interessieren, sind so verschieden wie die Schüler selbst. Während der eine im Thema gleichsam aufgewachsen ist, weil seine Eltern in der Baubranche tätig sind, weisen andere gar keinen entsprechenden familiären Hintergrund auf. Lena Bürgler aus der 4. Klasse hatte sich bewusst für die HTL entschieden, um die erlernten technischen Kenntnisse als Basis für ein zukünftiges Studium nutzen zu können. „Da hat die HTL sehr viele Vorteile gegenüber einem Gymnasium“, meint sie. Miriam Brunner fühlte sich zunächst von der Architektur angezogen, hat aber in den ersten Jahren der HTL die spannenden Aspekte der Bauwirtschaft schätzen gelernt. Die HTL bereite sie auf das spätere Leben vor: „Ich weiß genau, was mein Arbeitgeber von mir will und was mich im Berufsleben erwartet.“
Die Abzweigungen nach der Schule
Im Gegensatz zum Gymnasium vereint die Schüler der HTL ein großes gemeinsames Interesse für Bauwerke. Während die einen gerne Projekte planen und sich damit auch schon privat beschäftigen, geht Mario Mršić beim Zeichnen das Herz auf. Wie er streben bis zu vierzig Prozent nach der HTL ein weiterführendes Studium an, öfter Architektur als Bauingenieurwesen. Ljubica Stipić aus der 5. Klasse hält aber die derzeitigen Jobangebote direkt nach der Schule für sehr attraktiv und möchte gleich arbeiten gehen, wie sie sagt. Da komme die breite Fächerung des Bauwesens den Absolventen doch sehr entgegen. „Man fasst Fuß und schaut, wohin dein Weg dich führt“, legt sich Stipić jetzt noch nicht fest und schließt auch ein Studium nach ein paar Jahren Joberfahrung nicht aus. Dass es viele Absolventen in der Baubranche hält, hat auch damit zu tun, dass ihre Schule ein gutes Netzwerk innerhalb der Branche pflegt. HTLer können sich in diesem Netzwerk sicher fühlen.
Mitgestalter des Alltags
Dass die Baubranche sehr vielseitig ist, wissen die Nachwuchstechniker: Von der Planung bis zur Ausführung ist man in ein Bauvorhaben eingebunden. Schüler Mršić ist besonders inspiriert vom Umweltgedanken. Er will seinen Ideenreichtum etwa in die Entwicklung autarker Häuser einfließen lassen: „In Sachen Nachhaltigkeit kann man in Zukunft aus der Baubranche noch sehr viel rausholen.“ Klimaschutz interessiere auch die anderen. „Wir sind die Generation, die den Bau nachhaltig prägen wird.“ Sie wollen ihre Zukunft proaktiv mitgestalten und informieren sich auch gerne außerhalb der Schule über Trendthemen. Dazu Melanie Brunner: „Wir gehen mit offenen Augen durch die Stadt und erkennen, was wir in der HTL lernen. Das Bauthema spielt eine große Rolle in unserem Leben.“ Es ist auch eine Generation, die vom Bauboom geprägt wird. Einschlägige TV-Formate inspirieren, Bewerbe aus Amerika stehen hoch im Kurs. Das Ausland zieht manche in seinen Bann. „Andere Kulturen kennenzulernen wäre mein Ding!“, kann sich eine Schülerin für die internationale Seite der Branche begeistern. „Die Bauordnung eines anderen Landes kennenzulernen wäre reizvoll“, meint ein anderer.
Lena Bürgler träumt von einem kleinen Planungsbüro: „Mich interessiert die Selbstständigkeit.“ Für die Schüler liegen die Vorteile eines Klein- oder Mittelbetriebs mit Jobrotation auf der Hand: Vom Zeichnen bis zur Baustelle werde man immer wieder in einem anderen Bereich eingesetzt. Ihre Vorstellung von einem großen Konzern sei es, in einem fixen Bereich, in einer einzigen Abteilung und nicht auch out-of-the-box tätig werden zu können. „Wir wollen uns die Abwechslung, die wir jetzt erleben, im Job erhalten.“ Kleine Betriebe mit überschaubaren Strukturen und einem persönlichen Teamspirit scheinen bei den Schülern en vogue zu sein. Was manche dennoch an großen Firmen reizt, sind internationale Projekte mit Superlativen. „Mich interessiert, wie ein so großer Betrieb funktioniert.“ Auch die größeren Projekte der Konzerne lassen so manchen mehr gestalterische Möglichkeiten vermuten.
Work-Life-Balance
Alle gemeinsam möchten in ihrem Berufsleben einen gesunden Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit pflegen. Zu einem Top-Job gehört aber auch ein überdurchschnittliches Engagement, um seine großen Ziele zu erreichen. Für einen gewissen Zeitraum sind sie bereit, die optimale Balance zu verlassen. Lockdowns waren manchen eine Lehre, den Arbeitsbereich strenger vom Privaten zu trennen, um auch abschalten zu können. Permanente Erreichbarkeit sehen sie mit gemischten Gefühlen. Dass sich die Welten der Entspannung und des beruflichen Drucks nun eher vermischen als in den Generationen davor, wird vermutet und behagt nicht jedem. Spätestens ab dem Zeitpunkt, wenn das Thema Familie in der Lebensplanung auftaucht, stünde nicht nur für Frauen die Work-Life-Balance ganz oben auf der Prioritätenliste.
Überraschend anders
Von wegen desinteressiert – die junge Generation ist durchaus wissbegierig: Der eine oder andere wünscht sich mehr Englisch für die gleichgeschaltete Matura und anschließende Internationalität. Abteilungsvorstand Gerhard Alberer will das Tor zur Welt weit aufstoßen und mit dem Programm „CLIL“ noch mehr für englische Sprachroutine im Unterricht sorgen: „Jeder, der in der HTL als Lehrer anfängt, muss sich verpflichten, auch auf Englisch zu unterrichten.“